02.09.2013   Holzbrigade

Mit Oswald auf Müllers Höh

Lenzen, Neublankensee, Müllers Höh - die mit ihrer Geschichte versunkenen Orte verströmten Melancholie.

Auf einem Spaziergang zeigte mir Frau Haack den Obstgarten und die Pflaumenbäume, die noch immer von dem einst bewohnten Gebiet zeugten, jenem Ort ihrer Kindheit nach der Flucht. Im Gehen hatte sie mit ihren Händen Gebäude geschaffen und Wege gezeichnet. So wie Lenzen - der Ort, den es nicht mehr gibt, in der Erzählung von Marianne Borchert wieder sichtbar wurde, mit dem Elternhaus, viel zu eng für die acht Kinder, die sich die Betten teilten.
Auch Oswald war auf Müllers Höh aufgewachsen.
Um diesen Orten und den Menschen, die dort gelebt hatten, Referenz zu erweisen, wollte ich auf dem ehemaligen Gutssitz Feldsteine sammeln und sie in die Miete integrieren.
Das Vorhaben fiel zusammen mit einem arte-Dokumentations-Dreh am 30./ 31.8. und ich hatte Nana, der Regisseurin, in einer Email vorgeschlagen:

Samsag
8.45 wir holen ilse haack ab
oswald giese wartet bereits mit hänger und traktor. auch oswald hat ab 43 auf müllers höh gelebt, nachdem seine familie von stettin fliehen musste.
wir fahren zu müllers höh. verladen der steine.

fahrt nach pampsee > abladen der steine

Das Team kam pünktlich. Wir tranken einen Espresso unterm Kaffeetassenbaum. Ein verdächtiges Tuckern drang durch das offene Fenster: Gerade noch konnte ich Oswald Richtung Grenze entschwinden sehn.
Wir stürzten zum Auto, luden Frau Haack ein, fuhren zu Müllers Höh. Von Oswald und seinem roten Traktor keine Spur. Wir suchten ihn, lauschten nach Motorengeräuschen. Nichts. Stille. Mit dem Ort war nun auch
Spooky Oswald, wie Nana ihn fortan nannte, entschwunden.

Weil uns damit auch der Anhänger fehlte, schleppten Frau Haack und ich dann die Steine mit der Schubkarre. Es war, als würden wir ihre Geschichte nachspielen: Da hatten wir kein Pferd und Wagen mit, da ging's mit der Schubkarre. So stand es ja auch als Zitat auf dem KunstKiosk.

Als ich mich am anderen Morgen von Oswalds Wohlergehen überzeugte, versicherte er mir, stundenlang auf Müllers Höh ausgeharrt zu haben.
Ich verzichtete auf weitere Nachforschungen.
Wir fuhren gemeinsam nochmals hin.